The Messy Reality: Personalisiertes Lernen und Lernkultur

Bild: Wes Hicks bei unsplash.com, bearbeitet mit Polyvia

Im New Yorker gibt es gerade einen spannenden Artikel zu den erstaunlich durchwachsenen Ergebnissen von “Personalized Learning-Projekten an US-Schulen”. Auf den ersten Blick entspricht der Unterricht an dieser “lighthouse school” genau dem, was man von digitalisierter Bildung erwartet.

Teachers project lesson plans onto interactive screens, and little hands reach for black Chromebook laptops, which are stacked like cafeteria trays in a large box called a Chromecart. In one class, Danusis introduces me to a lanky child in rain boots, who clicks through an online math program while chatting about a baby goat that’s being weaned in her back yard.

E. Tammy Kim auf newyorker.com; The Messy Reality of Personalized Learning (2019) [abger. 1.8.2019]

In dem Artikel werden einige Punkte über e-Learning und digital gestützte Methoden angesprochen, die ich für die hiesige Debatte ganz spannend finde. Personalisiertes Lernen setzt nicht nur die entsprechende Technik, sondern auch eine bestimmte Lernumgebung voraus, um überhaupt wirksam zu sein.

Andere Rolle und neue Kompetenzen von Lehrenden

Her school was pushing Chromebook-based personalized learning, she told me, but offered little coaching beyond the nuts and bolts of the platform. “Most districts invest in professional development that’s the least expensive,” she said. “They have a huge tech push, but we don’t need that.”

The Messy Reality of Personalized Learning (2019) [abger. 1.8.2019]

In personalisierten Lernumgebungen sind Lehrende als Lernbegleiter und Vermittler gefragt, auch wenn sie den Unterricht nicht mehr frontal steuern. Ohne eine Entwicklung der Lernkultur sind digital gestützte Lernangebote nicht wirksam.

Personalisiertes Lernen erfordert Selbststeuerungskompetenz

Policy found that, in several Summit schools, “off-task student behavior was the same as, or worse than, in the more traditional classrooms, with some students observably working on assignments from other classes, viewing YouTube videos (or similar), queuing songs on playlists, toggling between Summit and entertainment websites, or pausing on work screens while chatting with neighbors.”

The Messy Reality of Personalized Learning (2019) [abger. 1.8.2019]

Nicht jede Gruppe von Lernenden ist sofort in der Lage, die eigene Bildung selbst in die Hand zu nehmen. Aufgabe der Lernbegleitung ist es auch, die Kompetenzen zur Selbststeuerung zu fördern. In der Erwachsenenbildung besteht diese Herausforderung ebenfalls, auch wenn sie dort nicht sofort sichtbar wird.

Was macht selbstgesteuertes Lernen aus? Nach Simons (1992) müssen Lernende hierfür in der Lage sein, (1) das Lernen vorzubereiten, (2) die Lernhandlung durchzuführen, (3) das Lernen zu regulieren, z.B. mit Hilfe von Kontrollstrategien, (4) Die Lernleistung zu bewerten und (5) Motivation und Konzentration aufrechtzuerhalten. Selbstgesteuertes Lernen erfordert also vor allem metakognitive Fähigkeiten, ist aber auch abhängig von motivationalen Faktoren

Mandl, H. & Krause, U.-M. (2001). Lernkompetenz für die Wissensgesellschaft (Forschungsbericht Nr. 145) , S.11. München: Ludwig-Maximilians-Universität, Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie. [PDF, abger. 1.8.2019]

Personalisiertes Lernen benötigt Vertrauen

Alex Lucini, a music teacher at West Broadway Middle School, in Providence, told me that the persistence of high-stakes testing acts as a brake on even the most well-intentioned pedagogy: “You’re only going to get personalization as far as the accountability measures will allow.”

The Messy Reality of Personalized Learning (2019) [abger. 1.8.2019]

Ein Curriculum ohne Wahlmöglichkeiten schränkt personalisiertes Lernen sehr ein. Wenn zu detailliert vorgeschrieben wird, was am Ende “gekonnt” sein soll, und wird der Lernfortschritt dazu noch zu kleinschrittig kontrolliert, gibt es wenig Anreiz, einen eigenen Pfad durch den Stoff zu suchen und die eigenen Interessen auf der Lernreise einzubringen. Neben den Standards sollte es mindestens die Möglichkeit geben, eigene Akzente zu setzen und bestimmte Bereiche zu vertiefen. Mit dem Vertrauen in die Lernenden entstehen Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten, mit denen personalisiertes Lernen erst wirken kann.

Personalisiertes Lernen hat viel Potential – sofern es gut begleitet wird

Aziz, Maggie told me, “was in trouble every day” at his previous school. Now, thanks in part to personalized learning, he was staying on top of his work

Jessica Jennings, a Providence resident whose daughter is one of a handful of white students at her public elementary school, sees personalized learning “as a tool to support diverse learning environments,” a potential path to racial and class integration.

The Messy Reality of Personalized Learning (2019) [abger. 1.8.2019]

Je diverser die Zielgruppe, desto mehr Vorteile bieten personalisiertes Lernangebote. Dies gelingt aber nur wenn die Methoden und Strukturen mit dem Ziel verbunden sind, unterschiedliche Voraussetzungen von Lernenden für erfolgreiche Lernreisen zu integrieren. Häufig die Gestaltung der Lernangebote aber vorrangig dem Ziel, möglichst viel Personal einzusparen (“offered as a balm for budget austerity”), profitieren höchstens diejenigen Lernenden, bei denen die Selbststeuerungs­kompetenz bereits vorhanden ist.

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